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Leidenschaft fürs Wasser

Von Anfang an war der Verein ein Erfolgsmodell. Schnell mauserte sich der Jülicher Wassersportverein 1923 zu einem der mitgliedsstärksten der Stadt. Und das ist er auch heute noch. Mehr als ein paar trockene Fakten.

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Illustration: Zara Schmittgall
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Jülich liegt, das ist landläufig bekannt, am Fluss. Dass es Zeiten gab, in denen die Menschen der Herzogstadt das Schwimmen in der Rur lernten, ist eigentlich logisch, aber gemeinhin in Vergessenheit geraten. „Herrlich klares Wasser, hohe Sträucher an den Ufern und Kiesbänke in der Mitte brachten so viel Abwechslung an Spiel und Sport im Wasser, wie man es sich heute nicht mehr vorstellen kann“, schildert Theo Prell, bis 1949 Vorsitzender des Jülicher Wassersportvereins (JWSV), in einer Festschrift die Anfänge. Die zunehmende Wasserverschmutzung durch industrielle Abwässer führte dazu, dass ein Verein sich gründete, um für Jülich den Bau eines wettkampftauglichen Freibades zu fordern. Das ist fast 100 Jahre her.

Heute zählt der Jülicher Wassersportverein zwischen 250 und 280 Schwimmfreudige in seinen Reihen, sagt Frank Henßen, sportlicher Leiter und Trainer der ersten Mannschaft. Dabei gehören die Jülicher damit sogar zu den „kleinen“ im Bezirk Aachen, ergänzt seine Frau Nicole, die gemeinsam mit Anke Kürbig die zweite Mannschaft zu Leistungen motiviert. „Klein aber fein“ wie es landläufig heißt, denn im wahrsten Sinne befindet sich der Verein auf der Erfolgswelle. Vier Schwimmer schickte der JWSV im Frühjahr zu den NRW-Meisterschaften. Unter die ersten vier kamen zumindest zwei von ihnen in ihren Altersklassen. „Es zeigt, dass wir im Bezirk ganz gut da stehen“, sagt Nicole Henßen nicht ohne berechtigten Stolz, während Ehemann Frank eher relativierend meint: „Für uns ist das sehr zufriedenstellend.“ Fast beiläufig erwähnt er: „Bei den Masters sind wir jahrelang auch bei Europa- und Weltmeisterschaften mitgeschwommen.“ Masters, so lernt der Nicht-Schwimmsportliche, sind alle Wettkämpfler, die sich im Altern 20+ befinden.

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Hier wird schnell klar: Wassersport ist mehr als nur Hobby. Es ist Leidenschaft. Wie sonst sollte sich der Laie erklären, dass „ohne An- und Abfahrt und Vorbereitung und Wettkämpfe am Wochenende“ pro Woche rund acht Zeitstunden für Trainierende und Schwimmende der ersten Mannschaft einzuplanen sind. Die zweite Mannschaft bringt es immerhin auf sechs und die dritte Mannschaft auf vier Stunden in der Woche. Dazu kommen zuweilen noch so genannte „Landeinheiten“, also Ausdauersport in einer Turnhalle. Ganz schön anspruchsvoll. Und wie oft kommen die Trainierenden ins Wasser? „Zu wenig“, ist die einhellige Meinung.

Aber natürlich ist Leistungssport nur eine Sparte, die der JSWV anbietet: Für Breitensportliche und Hobbyisten ist der Montag reserviert. Hier kommen Kinder „die einmal in der Woche aus Spaß an der Freud schwimmen und eventuell noch für ihre Abzeichen üben wollen“, sagt Anke Kürbig, zuständiges Vorstandsmitglied für den Breitensport. Und selbstverständlich wird für Schwimmneulinge eine eigene Trainingseinheit geboten. Für die zeichnet Guido Hartkopf verantwortlich. Schon mit vier bis fünf Jahren können Kinder bei ihm starten. Hartkopf hat ein Auge darauf, welcher Schwimmanfänger sich vielleicht später als Leistungssportler eignet, oder für welche es doch eher ein Hobby bleibt.

Wie leicht ist es, ein Kind zum Schwimmenlernen anzumelden? „Wenn sie Glück haben ein halbes Jahr Wartezeit, es kann aber auch ein Jahr dauern“, lautet die Antwort. Dabei ist der Vorstand mit diesem Zustand noch ganz zufrieden. Eng wird es regelmäßig nach den großen Ferien, berichtet Frank Henßen. Nämlich dann, wenn weiterführende Schulen ankündigen, dass sie erwarten, dass Kinder in Klasse 5 schwimmen können. Allgemein attestiert der Verein dem Nachwuchs eine ganz gute Schwimmkompetenz. „Was man aber feststellt, ist, dass die Beweglichkeit der Kinder zuweilen zu wünschen übrig lässt. Der Bewegungsmangel macht sich bemerkbar“, sagt Nicole Henßen. Den „Brust-Bein-Schlag“, gemeinhin als „Frosch“ beim Brustschwimmen bekannt, sei kompliziert. Vor 30 bis 40 Jahren hätten die Kinder das relativ schnell gelernt, „heutzutage ist das richtig viel Arbeit“, so Schwimmtrainerin Henßen. Natürlich gibt es auch Unterschiede – auch in der Begabung. „Nicht jedes Kind kann Ballettänzer werden und nicht jedes Kind kann Schwimmer werden“, meint Frank Henßen und meint damit natürlich den Leistungssport, nicht die Fähigkeit an sich.

Normalerweise trainiert der JSWV im Sommer im Freibad, wo sich in direkter Nachbarschaft das Vereinsheim befindet. Das hat genau wie das Freibad selbst im Hochwasser erheblich gelitten – mit dem Unterschied, dass es in Eigenleistung saniert und bereits wieder in Betrieb genommen werden konnte ist. Ein Ort für gemeinschaftsstiftende Geselligkeit, und die wurde über den Sport hinaus im Verein schon immer groß geschrieben. Guido Hartkopf erinnert an die legendären Maskenbälle im Haus Hesselmann, zu denen der JSWV jährlich einlud. Es ist wieder Partyzeit im Vereinsheim, wie früher, erinnert sich ziemlich breit grinsend Nicole Henßen an ihre Jugend. Sie und die vier anwesenden Vorständler bringen es immerhin auf gute 160 (und mehr) Jahre Vereinszugehörigkeit, sind also praktisch von Kindbeinen an dabei. Kein Wunder, dass dieser Generationen-Verein sich als JSWV-Familie bezeichnet. Familienfreundlich sind übrigens auch die Beiträge: Jugendliche zahlen 40 Euro, Familien 80 Euro für ihre Mitgliedschaft im Jahr.

Sorgen machen den Wassersportverein zwei Dinge. Erstens fehlt es wie überall an Nachwuchs in der Übungsleitung. „Generell suchen wir in allen Bereichen Trainingspersonal“, sagt Frank Henßen. Natürlich kann man als Quereinsteiger auch Aufsicht am Beckenrand führen, aber etwas Ahnung vom Schwimmen sollte man natürlich haben „wenn man die Kinder anleiten soll“. Dennoch ist der Verein offen für jede Unterstützung und Fortbildungen gehören ohnehin zum Standardangebot. Zweitens steht die Erkenntnis im Raum: „Das Becken hält nicht mehr ewig“. Seit Anfang der 2000er Jahr das Schwimmleistungszentrum für Jülich geplant war, läuft im Hallenbad der Sanierungsstau auf. „Es wäre eine Katastrophe, wenn das Schwimmbad zumachen müsste und in den nächsten Jahren kein Wassersport in Jülich mehr möglich wäre – weder im Verein noch für Schulen.“ Die Zahl der Schwimmbäder nimmt in der ganzen Region ab, berichten die Vorständler. Daher nutzen derzeit geschätzte 30 bis 40 Vereine die „Beckenzeiten“ in Jülich und zwar auch aus den umliegenden Kommunen wie Niederzier, sagt Frank Henßen. Dabei sind sich alle einig: Schwimmen ist lebenswichtig. Der sportliche Leiter Henßen formuliert es markig: „Wenn man nicht Radfahren kann, stirbt man nicht, aber wenn man nicht schwimmen kann…“


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